LWB schützt Gemeinschaften vor der Aneignung von Land durch private Investoren
Luena (Angola)/Genf (LWI) – In Angola besteht für landwirtschaftliche Gemeinschaften die Gefahr, ihren Grund und Boden zu verlieren. Ausländische Investoren drängen mit Macht in das Land und bedrohen Kleinbauern in ihrer Existenz. Die Behörden bieten ihnen so gut wie keinen Schutz. Der Lutherische Weltbund (LWB) leistet Aufklärungsarbeit im Rahmen von Schulungsworkshops zu Landrecht und verwaltungstechnischen Verfahren und betreut Alphabetisierungskurse für Erwachsene, damit die Menschen ihre Existenzgrundlage schützen und ihre Rechte einfordern können.
Edurardo C (Name geändert), 53, hat in der Provinz Moxico im Osten Angolas eine kleine Parzelle Land bewirtschaftet. Eines Tages stellte er fest, dass dort ein Zaun errichtet worden war, der sein Land vom Fluss abschnitt. Der Soba, der traditionelle Dorfvorsteher, erklärte ihm, dass sein Land an einen privaten Investor aus der Hauptstadt Luanda verpachtet worden sei. Edurardo blieb nichts anderes übrig, als sich ein anderes Stück Land ohne Zugang zum Fluss oder Bewässerungsmöglichkeiten zu suchen. „Der private Investor hatte bereits alle Papiere unterzeichnet und dafür gezahlt, als ich von diesem Handel erfahren habe“, berichtet Edurardo.
Das gleiche Schicksal erfuhren andere im Dorf, deren Land ebenfalls teilweise oder vollständig an denselben privaten Investor vergeben wurde. Niemand von den Betroffenen war angehört worden, bevor der Vertrag aufgesetzt wurde. Auch eine Entschädigung gab es nicht. „Wenn jemand mit einem rechtsgültigen Dokument kommt, aber noch nie auf dem Land gearbeitet hat, und jemand anderes trägt vor, dass er sein ganzes Leben das Land beackert hat, aber keinen Landtitel vorlegen kann, werden die Behörden immer der Person Recht geben, die den offiziellen Titel vorweist“, erklärt José Caca Tomaz, Landkreisleiter für Landwirtschaft in Leua, der Hauptstadt des Landkreises. „Die Anzahl dieser Fälle nimmt zu, es ist Besorgnis erregend.“
Korruption und Ignoranz
Fälle von Landbesetzung und Landraub kommen in Angola vielerorts vor. Das Land, in dem der Bürgerkrieg 2002 zu Ende ging, ist reich an Bodenschätzen wie Diamanten und Öl. Als der Ölpreis dramatisch fiel, bestimmte die Regierung per Dekret eine Diversifizierung der Wirtschaft und förderte Investitionen in die Landwirtschaft, auch von ausländischen Geldgebern.
„Die Regierung propagiert die Diversifizierung der Wirtschaft, aber das Problem liegt darin, dass der Rechtsweg oft nicht eingehalten wird“, beobachtet Malungo Germano, LWB-Referent für Advocacy-Arbeit in Angola. Private Investoren, viele von ihnen hochrangige Regierungsangehörige, zeigen nun Interesse an Ländereien, auf denen die Gemeinschaften seit Generationen Landwirtschaft betreiben. Dahinter steht oft ein ausländischer Investor. Die Gemeinschaften, die durch ein neues Landrecht eigentlich geschützt werden sollen, befinden sich in den meisten Fällen auf der Verliererseite.
„Das Landrecht in Angola sieht vor, dass das Gemeinschaftsland nicht verkauft werden darf, aber die Gemeinschaft kann einem Außenstehenden die Nutzung des Landes erlauben“, erklärt Calucango Caseno Sabino, LWB-Projektkoordinator. Die Gemeinschaft müsse angehört werden, bevor eine Entscheidung getroffen werde, fügt Sabino hinzu, dies sei aber nur selten der Fall: „Statt dessen trifft der traditionelle Dorfvorsteher auf eigene Faust eine autoritäre Entscheidung“, berichtet er.
In vielen Fällen wurden Bestechungsgelder bezahlt, Anreizzahlungen geleistet, und Kisten voller Wein wechselten den Besitzer. In Edurardos Dorf wurde der Soba als Verwalter für denselben Investor tätig, dem er das Gemeinschaftsland verpachtet hatte. „Ich betrachte ihn als Freund“, verteidigt er sich ohne Unrechtsbewusstsein, während die Landwirte aus dem Dorf ihren Unmut bekunden. Die Lage bedroht nicht nur die Existenzgrundlage der Menschen, sondern auch den sozialen Frieden.
Das LWB-Personal hat zahlreiche solcher Fälle mehr oder weniger offener Korruption erlebt. Allerdings begegnen sich der Zentralstaat mit all seiner Machtfülle und ein örtlicher Dorfvorsteher nicht auf Augenhöhe – das Machtgefälle ist deutlich spürbar. Fehlende Kenntnisse oder Analphabetentum haben zur Folge, dass die Landwirte vor vollendete Tatsachen gestellt werden und keine Einsprüche möglich sind.
Beschwerdekompetenz lernen
Der LWB setzt deshalb bei der Ermächtigung von Gemeinschaften auf unterschiedliche Schwerpunkte. In Workshops erwerben die Gemeinschaften Kenntnisse über das Landrecht und über ihre eigenen Rechte. Sie lernen, wie sie sich selbst in Dorfentwicklungsausschüssen (Village Development Committees – VDC) organisieren können und damit als einzelne Personen über eine breitere Basis verfügen, um einen Beschluss anzufechten oder mit den Behörden zu diskutieren.
Alphabetisierungsklassen für Erwachsene sorgen dafür, dass die Menschen in den Gemeinschaften offizielle Mitteilungen lesen können und juristische Zusammenhänge verstehen. Eine große Zahl der Teilnehmenden an diesen Workshops sind Frauen, die selbst die Initiative ergreifen, um ihr Land zu behalten und das Familieneinkommen zu schützen.
In Eduardos Dorf haben Frauen einen Verein gegründet und ein Grundstück von knapp 260 Hektar Größe für die Genossenschaft abgesteckt. Jetzt haben sie einen Rechtsanspruch auf das Land angemeldet. „Die Männer haben keinen Sinn fürs Sparen“, sagt Margarita Vumbi, die Sekretärin der Gruppe. „Sie stecken das Geld in ihre Taschen, und wir können nicht einmal die Schulgebühren zahlen. Es sind die Frauen, die sich Sorgen um die Kinder und Enkelkinder machen. Mit Hilfe der LWB-Workshops haben wir erkannt, dass wir einen Rechtstitel für unser Land brauchen.“
Die eigene Stimme finden
Der LWB arbeitet auch mit lokalen Behörden und Dorfvorstehern zusammen, um sie über ihre Rechte und Pflichten gegenüber den örtlichen Gemeinschaften zu informieren. „Das Problem ist, dass viele der traditionellen Dorfvorsteher nichts über das Landrecht wissen“, sagt Cahilo Chijica, in der Provinz Moxico für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständig. „Sie wissen nicht, dass das Land nicht verkauft werden darf.“ Für ihn ist der LWB ein wertvoller Partner, nicht nur als Bildungsinstanz innerhalb der Gemeinschaften, sondern auch für den Kompetenzaufbau innerhalb der lokalen Behörden.
Der LWB setzt sich nicht nur bei den örtlichen und nationalen Behörden für die Belange der Gemeinschaften ein, sondern geht mit Fällen wie dem von Edurardo auch an eine internationale Öffentlichkeit. Unrechtmäßige Landaneignungen und Menschen, die ihre Existenzgrundlage verlieren, sind wichtige Indikatoren im Universellen Periodischen Prüfungsverfahren, mit dem der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die Menschenrechtssituation in einem Land überprüft. Dieses Gremium kann dann Druck auf nationale Regierungen ausüben, damit sie ihre Gemeinschaften besser schützen.
Manchmal nutzen die LWB-Geldgeber und Partner ihren Einfluss auch, um Advocacy-Arbeit bei ihren jeweiligen nationalen Regierungen zu leisten. „Wir arbeiten mit dem deutschen Bundestag und mit politischen Parteien zusammen, damit internationale Regelungen wie die Freiwilligen Leitlinien zu Landnutzungsrechten befolgt werden“, sagt Petra Aschoff von Brot für die Welt. „Damit können wir deutsche Akteure in Angola, aber auch angolanische Akteure beeinflussen, die durch deutsches Geld finanziert werden.“
In dem kleinen Dorf in Angola wird Edurardo sein Land nicht zurückbekommen – vorerst jedenfalls nicht. Der Soba hat jedoch vor dem gesamten Dorf versprochen, die Situation im Sinne der Geschädigten rückgängig zu machen. „Wenn der General das nächste Mal hierherkommt, werde ich ihm erklären, dass er das Land nicht mehr nutzen darf, da es uns gehört“, verspricht er.
Die LWB-Arbeit zum Thema Landrechte in Angola wird von Brot für die Welt finanziert.
Video (auf Englisch) über die Arbeit des LWB in Angola (10 Minuten).