Streben nach menschenwürdigen und dauerhaften Lösungen

26 Sep 2018
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Lagersekretär Tikaram Rasaily zeigt Martin Junge das Flüchtlingslager Beldangi im Jhapa-Distrikt in Nepal, in dem zurzeit mehr als 5.000 Flüchtlinge aus Bhutan leben. Alle Fotos: LWB/Albin Hillert

Lagersekretär Tikaram Rasaily zeigt Martin Junge das Flüchtlingslager Beldangi im Jhapa-Distrikt in Nepal, in dem zurzeit mehr als 5.000 Flüchtlinge aus Bhutan leben. Alle Fotos: LWB/Albin Hillert

Der LWB unterstützt in Nepal Flüchtlinge aus Bhutan

Damak, Nepal/Genf (LWI) –  Während seines Besuchs in einem Flüchtlingslager in Nepal, in dem Menschen aus Bhutan untergebracht sind, hat sich Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), für eine dauerhafte Lösung im Interesse der fast 6.700 Flüchtlinge eingesetzt, die sich nach wie vor in dem Land befinden.

Es ist das Ende der Monsunzeit in Damak, einer Stadt in der östlichsten Provinz Nepals. Weit entfernt von den bergreichen Regionen im Norden des Landes, kommt es im südöstlichen Nepal schnell zu Überschwemmungen. Die tiefgrünen Pflanzungen und Felder stehen unter Wasser, und Kinder spielen auf den dörflichen Fußballplätzen knöcheltief im Schlamm. In den Schlaglöchern auf der vom Osten in den Westen des Landes führenden Fernstraße steht das Wasser.

Seit drei Jahrzehnten ist diese Region Nepals immer wieder Zufluchtsort für Flüchtlinge aus Bhutan – im Laufe der Zeit waren es mehr als 100.000. Im Rahmen umfassender humanitärer Aktionen und Advocacy-Maßnahmen konnte der größte Teil dieser Menschen inzwischen in Drittländern angesiedelt werden. Da die Behörden in Nepal und in Bhutan immer noch über dauerhafte Lösungen verhandeln, befinden sich nach wie vor fast 6.700 Flüchtlinge im Land, nachdem das vom UNHCR geleitete Drittstaat-Resettlement-Programm seit 2016 keine neuen Vermittlungen mehr vornimmt.

Die Flüchtlinge werden in zwei Lagern in den Distrikten Jhapa und Morang untergebracht und erhalten Unterstützung vom LWB-Weltdienstprogramm.

 

Das Flüchtlingslager Beldangi nimmt die meisten der zurzeit in Nepal registrierten 6.699 Flüchtlinge aus Bhutan auf.

„Als Menschen christlichen Glaubens sind wir aufgerufen zu dienen, und auch wenn einige Organisationen sich jetzt nach Beendigung des Resettlement-Programms aus Damak zurückziehen, so sieht der LWB seine Pflicht darin, im Land zu bleiben und diesen Prozess bis zum Ende zu begleiten“, betont Junge, der das Lager Beldangi in Damak im September besucht hat. In diesem Camp lebt die Mehrheit der 6.999 Flüchtlinge aus Bhutan, die sich noch in Nepal befinden. „Niemand bleibt auf der Strecke“, bekräftigte er.

Aufbau krisenfester Gemeinschaften und Stärkung lokaler Strukturen

Der Sekretär des Lagers, Pfarrer Tikaram Rasaily und selbst Flüchtling aus Bhutan, nennt eine Reihe von Aspekten, die für eine dauerhafte Lösung wichtig sind: Familienzusammenführung, Repatriierung, lokale Integration und Wiederaufnahme des Drittstaat-Resettlement-Programms.

„Wir brauchen aber auch einen neuen Zensus um sicherzugehen, dass es keine unregistrierten Flüchtlinge in den Lagern gibt“, sagt Rasaily, denn wer nicht registriert ist, verliere seinen Anspruch auf Unterstützung.

In den vergangenen zwei Jahren haben die Flüchtlinge selbst die Aufgabe übernommen, die Situation im Camp zu überwachen, das Lager in Ordnung zu halten und eigene Leitungsstrukturen in Beldangi aufzubauen.  Dieses Modell leistet einen wichtigen Beitrag zu einer unabhängigeren, starken und selbstbestimmten Gemeinschaft.

In Selbsthilfegruppen werden Flüchtlingen Führungsqualitäten und Kenntnisse im Umgang mit Geld und Finanzen vermittelt. Um die Abhängigkeit von der Gemeinschaft insgesamt zu verringern, werden einkommensbildende Tätigkeiten unterstützt. Das Bhutanese Refugee Children Forum (BRCF) leistet einen wichtigen Beitrag für den Zusammenhalt der Kinder und Jugendlichen im Lager.

„Wir müssen darauf achten, dass alle Kinder zur Schule gehen“, erklärt BRCF-Chefkoordinator Ramchandra Chapagai.

 

Ramchandra Chapagai, Chefkoordinator des Bhutanese Refugee Children Forums im Flüchtlingslager Beldangi, spricht mit Martin Junge.

„Wir müssen uns noch intensiver für eine kinderfreundliche Umgebung einsetzen, in der wir uns alle sicher und gut aufgehoben fühlen“, fügt Chapagai hinzu.

Beitrag zur Gesellschaft

In Zusammenarbeit mit dem UNHCR sorgt der LWB dafür, dass die Flüchtlinge Zugang zu örtlichen Dienstleistungen und Märkten in den Distrikten Jhapa und Morang haben. Da Flüchtlinge zurzeit in Nepal keine Stellen im öffentlichen Dienst annehmen können, ist es die Arbeit in der privaten Wirtschaft, die vielen von ihnen ein Einkommen sichert und ihnen ebenfalls die Möglichkeit eröffnet, der nepalesischen Gesellschaft etwas zurückzugeben.

„Natürlich gibt es nach wie vor noch viel zu tun, um die unsichere Situation der Flüchtlinge in der Gesellschaft des Landes zu verbessern, aber es ist zutiefst motivierend zu sehen, wie pragmatisch die örtliche Gastgebergemeinschaft handelt, so dass zum Beispiel alle Kinder in Damak zur Schule gehen und dort Bildung erhalten“, sagt Junge.

Während des Treffens mit dem nepalesischen Premierminister Khadga Prasad Sharma Oli am 16. September forderte Junge die nationale Regierung nachdrücklich auf, eine menschenwürdige und dauerhafte Lösung für die Flüchtlinge aus Bhutan zu finden.

 

LWB-Generalsekretär Junge trifft sich am 16. September mit dem nepalesischen Premierminister Khadga Prasad Sharma Oli.

Der Premierminister bestätigte die wertvolle Arbeit, die der LWB seit drei Jahrzehnten in dem Land geleistet habe, wurde von Junge aber weiter in die Pflicht genommen: „Wir warten auf ihre weiteren Vorgaben, um die Situation der noch im Land verbliebenen Flüchtlinge dauerhaft zu verbessern, und sind auch selbst bereit, diese Menschen noch stärker zu unterstützen.“

Schwieriger Übergang zur Demokratie

Seit Nepal im Jahre 2015 eine neue Verfassung verabschiedet hat, befindet sich das Land im Übergang zu einer föderalen Staatsform mit Verwaltungen auf Ebene des Bundes, der Provinzen und der Gemeinden, die teilweise bereits etabliert wurden, teilweise noch im Entstehen sind.

Zwar sind die Erwartungen an das neue System hoch mit der Vorgabe, dass die Regierungsmacht näher zum Volk und zu den Bürgerinnen und Bürgern gebracht wird, aber bis dahin gibt es einige Herausforderungen zu bewältigen: Durchsetzung und Konsolidierung eines neuen Rechtssystems, Aufteilung der Zuständigkeiten der örtlichen und föderalen Strukturen und Einführung eines Steuersystems als Voraussetzung für die effektive Arbeit der unterschiedlichen Regierungs- und Verwaltungsebenen.

„Ich glaube, dass Nepal an einem kritischen Punkt seiner Geschichte ist“, ist Junge überzeugt. „Entweder erfüllt der Föderalismus all seine Verheißungen und alles wird gut, oder der Übergang misslingt, und die hohen Erwartungen der Bevölkerung an die Problemlösungsfähigkeit der Regierung werden enttäuscht. Das wäre ein schwieriges Szenario.“

„Wenn man sich die Statistiken der vergangenen zehn Jahre anschaut, sieht man zahlreiche Ungleichgewichte“, fügt Dr. Prabin Manadhar hinzu, der das LWB-Länderprogramm für Nepal leitet. „Es ist eine Herausforderung und eine Chance zugleich, diese Diskrepanzen zu überwinden“, so Mandahar.

 

„Ich möchte wie ein Vogel davonfliegen, ich möchte meinem Land dienen, ich möchte jemand sein“, ruft ein junger Mann aus Bhutan im Flüchtlingslager Beldangi.

Dem Land dienen

„Ich erinnere mich an einen jungen Mann, der sagte, er wolle am liebsten davonfliegen, er wolle seinem Land dienen, und er wolle jemand sein“, erinnert sich Junge. „Ich glaube, solange Menschen so etwas sagen, gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass etwas Großartiges passieren wird.“

LWF/OCS